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Kapitel 4: Die Notoperation


Die Nacht davor

Die Nacht im Reservezimmer für Eltern, gleich neben der Intensivstation war durch. Doch Sybille und ich schliefen fast nichts. Immer noch konnten wir einfach nur heulen und wussten nicht, wie sich alles entwickeln würde. Stell dir mal vor, eine ca. 9h Hirnoperation steht deinem Kind bevor und dann weisst du noch nicht einmal, ob danach alles überstanden ist, ob er wieder aufwacht, ob er bleibende Schäden davonträgt oder ob es sich um einen bösartigen Tumor handelt. Wenn einem die Ärzte die Risiken einer solchen Operation vorlesen, wird einem schon angst und bang....


Jedenfalls wurde Jamie schon sehr früh am Morgen auf die Operation vorbereitet. Jamie schlug sich echt toll und er arrangierte sich hervorragend mit seiner Situation. Und wir mussten uns zusammenreissen, damit unsere Angst um ihn nicht sichtbar war.


Mit der Kinderambulanz ins Unispital

Mit der Kinderambulanz wurden wir ins Universitätsspital Zürich gefahren, da im Kispi solche Operationen nicht durchgeführt werden. Nach dem Gespräch mit dem Anästhesisten konnte Jamie noch den Geschmack für die Narkosemaske aussuchen: " Ich nehme Schockolade" War ja klar:-) Schon nach wenigen Sekunden schlief Jamie friedlich ein und wir mussten den Operationsvorraum verlassen. Auch hat man uns geraten nach Hause zu fahren, da die Operation bestimmt 8-10 Stunden dauern würden und sie uns nach Beendigung anrufen würden.


Hochzeitstag

Voller Hoffnung und auch Traurigkeit liefen wir zurück ins Kispi, um unser Auto zu holen und anschliessend nach Hause zu fahren. Da realisierten Sybille und ich, dass heute unser Hochzeitstag ist! Üblicherweise legten wir nicht so viel Wert auf diesen Tag und ehrlich gesagt, haben wir ihn sogar öfters vergessen. Wir sind eher der Meinung, sich jeden Tag über das Zusammensein dankbar und glücklich zu sein und nicht nur an diesem Tag. Aber egal was passieren wird, dieses spezielle Datum werden wir in Zukunft sicher nie mehr vergessen.


Warten, warten und noch einmal warten!

Was macht man zu Hause, im Wissen, dass sein eigenes knapp 3-jähriges Kind im Operationssaal liegt und ein Faustgrosser Hirntumor während Stunden entfernt werden soll? Keine Ahnung....wie ein Geist durchs Haus wandeln? TV schauen? Etwas lesen? Gamen? Ich habe alles ausprobiert aber nichts, aber auch gar nichts davon konnte mich ablenken und die Ungewissheit hinwegfegen. Jeder einzige Gedanke führte mich zurück zu Jamie und ich hoffte sooo sehr, dass alles perfekt laufen würde und er nach der Operation immer noch der Alte ist. Dass der Hirntumor restlos entfernt werden konnte und er keinen bleibenden Schaden davon getragen hat.


Die Familie als Unterstützung

Zum Glück wohnt die Familie von Sybille in der Nähe und fast alle kamen vorbei, um uns in diesen ungewissen Stunden zu unterstützen. Es war eigentlich ein wunderschöner Tag, die Sonne schien, es war angenehm warm und wir sassen gemeinsam auf dem Gartensitzplatz. Sie waren echt Spitze und lenkten uns möglichst gut ab, und das obschon sie sich ja die gleichen Sorgen um Jamie machten. Meistens gelang es auch, aber ab und zu wollten Sybille und ich einfach nur schlafen. Denn dann muss man nicht immer und immer an die Operation denken. Der einzige Moment, in welchem die Traurigkeit ein bisschen weichen kann. Die Familie war einfach da, und wartete gemeinsam mit uns auf das lang ersehnte Telefonat. Es kam einem vor wie eine Ewigkeit!


Der erlösende Anruf

Ich weiss die genaue Zeit nicht mehr, aber es dauerte sicherlich länger als erwartet und wir waren schon sehr ungeduldig. Schliesslich rief mich das Kinderspital an. Ich musste meine Telefonnummer hinterlegen, da sich Sybille nicht in der Lage gefühlt hat, dieses Telefonat entgegen zu nehmen.

"Es ist alles gut gegangen mit Jamie" sagte der Neurochirurg Herr Dr. prof. Boszinov am Telefon. Wow, was für eine Erleichterung, was für eine Last die plötzlich von einem abgefallen war. Endlich konnten wir uns wieder freuen und die Tränen aus dem Gesicht wischen. Natürlich erzählte ich die freudige Nachricht gleich allen anwesenden Familienmitgliedern und wir fielen uns alle überglücklich in die Arme.

"Sie müssen sich nicht beeilen, Jamie wird zurück ins Kispi auf die Intensivstation verlegt und wird erst am nächsten Tag geweckt."


Wir wollten aber natürlich trotzdem wieder zurück ins Kinderspital fahren, um bei Jamie sein zu können. Wir wollten unbedingt unseren Engel sehen können! So packten wir genügend Kleider ein, um ein paar Tage im Kinderspital verbringen zu können. Denn wenn alles gut gehen würde, könnte Jamie nach ca. 6 Tagen das Spital wieder verlassen.


Die Elternzimmer - Das Kind braucht die Nähe zum Heilen

Das Reservezimmer neben der IPS ist nur für Notfälle. Aber dank der Theodora-Stiftung gab es ganz in der Nähe des Kinderspitals kleine Zimmer für Eltern von Patientenkindern. Also bezogen wir ein solches kleines und zweckdienliches Zimmer. Damals war die Einrichtung noch etwas dürftig. Aber wir haben später erfahren, dass dank den Spenden, glaublich auch von der IKEA zahlreiche Zimmer neu eingerichtet werden konnten. Ich bin mir sicher, das dies ein unglaublich wichtiger Zustupf war. Denn alle Eltern, welche diese Zimmer bewohnten, waren in einer unglaublich schwierigen und teils natürlich auch traurigen Lebenssituation. Und da schadet ein bisschen Fröhlichkeit und Gemütlichkeit in der Unterkunft bestimmt nicht.

Aber uns war das zu diesem Zeitpunkt egal, wir waren einfach nur froh, konnten wir ganz nah bei Jamie sein, etwas Schlaf finden und uns auf der Intensivstation abwechseln.


Die Nacht auf der Intensivstation

Es war eine ganz spezielle Stimmung auf der IPS. Da waren zig Kleinkinder, welche an zahlreichen Schläuchen, Überwachungsgeräten, Sauerstoffmaschinen usw. hingen. Und ständig piepste es irgendwo oder ab und an ging bei einem Kind ein Alarm los. Teilweise hing das Leben einzelner Kinder immer noch immer am seidenen Faden. Ich fragte mich zu diesem Zeitpunkt, wie kann man an einem solchen Ort arbeiten? Aber ganz offensichtlich konnte das Pflegepersonal super damit umgehen. Alle waren so extrem freundlich, so hilfsbereit und einfühlsam. Das ist übrigens im ganzen Kinderspital spürbar, ich finde sie machen ALLE einen hervorragenden Job!

Wegen den Platzverhältnissen konnte nur einer von uns beiden bei Jamie bleiben. Also verbrachte Sybille die erste Nacht auf einem Stuhl liegend bei Jamie und wachte über ihn.

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