Kapitel 5: Die Tage nach der 1. Operation
Aktualisiert: 11. Jan. 2021

Der Morgen danach
Früh am Morgen war dann ein zweites MRI angesagt. Denn die Ärzte wollten ja genau wissen, wie viel sie vom Tumor entfernen konnten und wo sich noch Überreste befinden. Herr Dr. prof. Boszinov hatte es am Vortag ja schon angesprochen, dass nicht alles vom Tumor entfernt werden konnte. Denn ein Teil des Tumors befand sich ganz nahe am Stammhirn und das Risiko etwas dauerhaft zu schädigen war viel zu gross. Zum Glück denken die heutigen Chirurgen und Ärzte im Allgemeinen so. Lieber noch einmal operieren, statt etwas zu zerstören.
Nach dem MRI war klar, dass wirklich noch ein Teil des Tumors vorhanden war. Zum Glück nicht mehr so gross aber schon noch deutlich erkennbar. Die nächste Frage, welche nun die Ärzte und uns beschäftigte war, ob es sich um einen gut- oder bösartigen Tumor handelte. Doch auf diese Auswertung mussten wir noch etwas länger warten.
Aufwachen nach rund 30 Stunden Schlaf
Endlich war es soweit und die Narkosemedikation wurde abgestellt, Jamie durfte von selbst verwachen. Es war ein so glücklicher Moment, als Jamie langsam aufwachte und gleich danach seine 4-5 Nuggis schnappte, und sich diese ins Gesicht drückte. Da wussten wir, dass er immer noch derselbe war:-)))) Wir waren so überaus glücklich, dass ihn die Operation nicht verändert hat, dass er noch alles bewegen konnte und noch überall alles gefühlt hat. Kurz darauf meldete sich auch der erste Hunger und Durst, da war der Fall klar, dass er noch immer gleich geblieben ist:-)
Wegen der extremen Operation am Gehirn hatte Jamie aber noch deutliche Koordinationsschwierigkeiten. Die Ärzte meinten aber, dass dies nach einer solchen Operation völlig normal sei und in den nächsten Tagen immer besser werden würde.
Wir haben trotz allem die Zeit mit Jamie und mit uns selbst extrem genossen. Es hat uns wieder einmal mehr gezeigt, was wirklich wichtig ist im Leben. Nicht mit allem Geld der Welt kannst du dir Gesundheit kaufen. Weder das neuste Gadget, das Auto deiner Träume oder sonst irgendwas Materielles spielt dann noch eine Rolle.
Die Gewebeauswertung
Ich kann mich nicht mehr genau erinnern, wann wir den Gewebebefund erhalten haben. Aber es dauerte glaublich nicht so lange. Jedenfalls informierte uns Herr Dr. Gerber, der Onkologe von Jamie, dass es sich zum Glück um einen gutartigen Tumor handelte. Ein sogenanntes niedriggradiges Astrozytom. Offenbar ist das eine verbreitete Tumor-Art bei Kindern und nicht bösartig. Was für eine Erleichterung für uns alle. Wenigstens konnten die Überreste des Tumors nicht streuen. Aber was uns deutlich gemacht worden ist, dass er immer wieder wachsen könne und so natürlich genau so lästig werden könne. Der weitere Krankheitsverlauf wird also auch später noch beobachtet werden müssen und ausgestanden war es also noch immer nicht.
Hoffnung, Ungewissheit und doch glücklich
Die nächsten paar Tage im Kinderspital waren sehr intensiv. Wir haben viel Zeit mit Jamie und miteinander als Ehepaar verbracht. Ich bin mir sicher, rückblickend hat uns das als Familie und als Ehepaar noch einmal mehr zusammengeschweisst. Wir konnten uns richtig Zeit nehmen, ohne an die Arbeit denken zu müssen. Haben ab und zu Besuch von der Grossmutter "Ämi" empfangen und als es Jamie schon etwas besser ging durfte er auch raus in den Garten, spielen, auch ein bisschen Malen und natürlich ganz oft und viel Essen:-)
Endlich nach Hause
Wahnsinn, wie schnell sich Kinder von einem solchen Eingriff erholen. Es sind unglaubliche Kämpfer und gehen 10000 Mal besser damit um, als wir Erwachsene es tun würden. Kein Gejammer, kein Geflenne, einfach nur dankbar und die Situation annehmen, wie sie ist. Ich bewundere Jamie noch heute dafür.
Genau 6 Tage nach dieser schweren Operation, am 1. August 2013 war der Tag gekommen. Jamie durfte seine Plüschtiere und 5 Nuggis wieder einpacken und das Kinderspital verlassen. Normalerweise feiern wir immer mit der ganzen Familie den 1. August bei jemandem zu Hause. Aber wir wussten noch nicht so recht, ob wir das Jamie bereits zumuten konnten und ob er überhaupt Lust dazu hätte. So liessen wir das vorerst mal offen, waren einfach glücklich wieder nach Hause fahren zu können und wieder in unseren gewohnten 4 Wänden nächtigen zu dürfen.
Nationalfeiertag - Nicht nur die Schweiz feierte
Im Laufe des Tages kristallisierte sich jedoch, dass sich Jamie sehr auf die Familie und das Fest bei seiner Gotte Astrid zu Hause freuen würde. Na denn, wenn sich Jamie dazu in der Lage fühlt und Lust hat, gehen wir natürlich gerne vorbei.
Es war eine tolle Stimmung und wir waren allesamt so froh und erleichtert, dass wir diesen Nationalfeiertag gemeinsam mit Jamie feiern konnten und durften. Nach allem, was in den paar Tagen zuvor geschehen war, war dies ja kaum eine Selbstverständlichkeit mehr.
